Diskurs Prostitutionsverbot

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Diskurs Prostitutionsverbot

Beitrag von Freeyourgender » 30 Jan 2015, 13:57

.

Der Diskurs über ein Prostitutionsverbot ist direkt mit Patriarchismus verquickt.


Fokus: Aktueller Diskurs im Januar 2015 in Deutschland, Prostitution zu verbieten.

Dieser Artikel, veröffentlicht durch das Feministische Institut Hamburg,
beleuchtet sehr umfassend die Kausalitäten,
die hier involviert sind:
http://www.feministisches-institut.de/s ... ent-138756

Jasmin schrieb als Kommentar von FYG zu diesem Artikel:

"Dem Artikel ist nichts mehr hinzuzufügen, er deckt vor allem eines auf:
Der Konservatismus und das Patriarchat nutzt hier Deckmäntelchen der Kriminalität,
um Prostitution per se in Sippenhaft zu nehmen.
Die sexuelle Anziehungskraft der Frauen wird jeden Tag vom Konsum und Marketing
für die Wirtschaft bentutzt. Es ist Nonsens hier nur einen Versuch zu machen,
dass es sittenwiedrig sei, wenn eine Frau ihren Körper für sich selbst einsetzt,
um damit ökonomische Vorteile zu erhalten.
Angebot und Nachfrage hat immer ökonomische Ziele und Intentionen, und sei es nur,
wenn eine Schwiegermutter großes Interesse hat, ihre Tochter mit dem angesehenen Arzt
aus der Kleinstadt zu verheiraten. Dieser Diskurs über ein Verbot der Prostitution
ist das Beste Beispiel für Bigotterie für die Gegenwart."


FYG extrahiert aus dem Artikel einige Module, die wesentlich sind:

Das ProstG wurde 2002 novelliert, dahingehend, dass Prostitution nicht mehr illegal ist in Deutschland.
Diese Novellierung wurde von SPD und Bündnis90/Die Grünen angestossen und umgesetzt.

In der Debatte wirken die konservativen Regierungsparteien der Union CDU/CSU,
und auch der neoliberale Flügel der SPD und Grüne auf ein Verbot der Prostitution hin.

Unterstützung bekommt dieser, von der Frauenbewegung aus gesehene reaktionäre Kurs,
aus dem eigenen Lager der Frauenbewegung, die in sich gespalten ist.

Die einen sehen in der legalen Prostitution den elemantaren Teil der Selbstbestimmung der Frau,
über ihren Körper frei zu verfügen, als Mensch und auch als soziales Konstrukt Frau (>Simone de Beauvoir)

Die andere Gruppe der Frauenbewegung sieht einen Vorteil im Verbot darin,
dass Männern dadurch verboten wird, Frauen als Ware zu bezahlen und zu konsumieren.

Nun ist es wie beim Schachspiel, anhand der Folgen die beide Strategien haben,
wenn man als gemeinsames Ziel die Bekämpfung des Patriarchat unterstellt,
kann man sehen, welche Strategie erfolgversprechender ist.



Vorab eine logische Betrachtung, die das Argument, d
as Patriarchat würde bei einem Verbot der Prostitution geschwächt aushebelt.

Dieses Argument funktioniert nicht mehr, wenn die Sexworkerin einen Gewinn aus ihrer Tätigkeit zieht.
Denn das Argument unterstellt automatisch, das eine Frau vom Mann benutzt werden würde,
und dass die Frau dies mehr oder weniger unfreiwillig macht, z.B. aus finanzieller Not.
Dadurch wird der Mann zu einem Nutznießer stilisiert, und die Frau zu einem Opfer dieses Genusses.
Nur in dieser Konstellation, kann ich das Argument, das das Patriarchat geschwächt würde, beleben.

Dieses Konstrukt, das die Frau das Opfer ist, ist aber nicht das Zielkonstrukt,
wenn ich von dem Arbeitsfeld Prostitution ausgehe.

Ich gehe immer von einem Arbeitsfeld aus, dass die Menschen, die dieses Feld wählen,
keine Opfer sind.

Beispiel: Fabrikarbeit unter stark gesundheitlich einschränkenden Bedingungen,
aber im Rahmen der Vorschriften.

Nun könnte ich sagen: Die Fabrikbesitzer nutzen hier die Zwangslage der Arbeiter_innen aus,
diese müssen unter fast unmenschlichen Bedingungen arbeiten.

Schliesse ich dann die Fabriken als Gesetzgeber ?
Oder sorge ich für Gesetze, die die Rahmenbedingungen der Beschäftigungsverhältnisse regeln,
und installiere ich Ãœberwachungssysteme, wie die Gewerbeaufsicht usw, die diese festgelegten
Rahmenbedinungen überachen, dass diese eingehalten werden ?

Wenn ich dazu nicht in der Lage bin, müsst ich tatsächlich die Fabriken schließen.

Das Opfer sind dann: Die Arbeiter und die Fabrikbesitzer.

Wenn also ein Gesetzgeber ein Prostitutionsverbot beschließt,
um die Frauen zu schützen, attestiert er für sich selbst, die Unfähigkeit,
dass er die Frauen nicht vor Mißbrauch innerhalb des Arbeitsfeldes schützen kann.

Vielleicht hat das Patriarchat dafür gesorgt, dass die Strafen für Vergehen in diesem Bereich zu lasch sind ?
Vielleicht zahlen die Männer, die hier Frauen in Abhängigkeiten bringen, die Strafen aus der Portokasse ?
Vielleicht sollte der Gesetzgeber hier über seine Strategie nachdenken,
wie er die Durchsetzung seiner eigenen Gesetze bewerkstelligen will ?

Vielleicht will der konservative Teil der Regierung keine Prostitution,
und stellt sich hier quasi als unfähig dar, um letzten Endes daraus einen Grund erhalten, zu sagen:
Wir haben alles versucht, aber es geht nicht, wir geben das Projekt nach 13 Jahren auf,
und kehren zum Verbot zurück ? (>was wir ja 2002 sowieso wollten)

Der Sachverhalt, auf den im Artikel hingewiesen wird,
dass sich die Bekämpfung von Menschenhandel der EU-Richtlinie nicht
auch auf andere Branchen bezieht, wie Landwirtschaft, Fleischindustrie, Pflege usw,
erhärtet diesen Verdacht.

Könnte ja sein - nachdenken darf man darüber.

Warum ist es denn so schwer, dass anständgie Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz
so schwer durchzusetzen waren und sind ?
Weil eine Regierung Prostitution unterstützt ? Eher sieht doch das nach dem Gegenteil aus.

Wenn die Regierung von der EU die Auflage bekomme, Menschenhandel zu bekämpfen,
dann tut das doch bitte !
Und schliesst nicht Frauen davon aus, ihre Arbeit zu machen.

Oder stoppt ihre alle Strassenbahnen in der Stadt,
weil ihr mit den bösen Strassenbahnführern nicht klar kommt ?
Was sagen die Menschen dazu, die von A nach B fahren wolllten ?
Sie könnten sagen, wir haben eine Regierung, die böse Strassenbahnführer zulässt,
und mit ihnen nicht klar kommt, und wir müssen jetzt zu Fuß gehen.

Es werden also Opfer generiert, die nichts dafür können,
um diese Metapher zu übersetzen.

Und das die Opfer die Frauen "sein sollen" und nicht der "Strassebahnführer",
sieht man an schikanöse Kontrollmaßnahmen, die nun legitimiert werden,
die zum "Schutz" der Frau dienen, aber deren Rechte massiv einschränken.
Das erinnert an kaiserliche "SChutztruppen" in Südwest-Afrika,
entschuldigt bitte diesen Vergleich, aber bei dem Wort Schutz ist auch das Wort
"Schutzhaft" und "Schutz des Bürgers vor Terror" assoziativ vorahden,
was hier Schutz und Deckmantel ist, um Rechte einzuschränken, darf sich jeder
selbst denken.

Warum wird die Frau nicht innerhalb des Staates insofern "geschützt",
dass ihr Berufszweig endlich einmal gleichwertig mit dem jeden Unternehmers gestellt wird ?
Und zwar in allen rechtlichen Belangen, und nicht nur mit einem Stückwerk an Kompromissen ?
Was soll das denn ?

Hier wird doch offensichtlich, das die Stimgatisierung benötigt wird,
und der Artikel des Feministischen Institutes Hamburg benennt diesen Grund,
und er lieg auf der Hand, es ist ein bigotter Grund,
wie er in die Wilhelminische Zeit passen würde,
als Frauen noch gänzlich ohne jede Rechte waren:

Zitat aus dem Artikel, des Feministische Institut Hamburg:

"Die heile Welt bürgerlicher Moral lebt von der Konstruktion der „Hure“

Ja meine Herren,
und deshalb heißt die Hure Hure und der Casanova Casanova,
desshalb heißt das Flittchen Fllittchen und er Schürzenjäger Schürzenjäger,
am liebsten wäre es den Machen des Prostitutionsverbotes,
wenn wir für die unverheiratet (damals unversklavte) Frau wieder den Begriff
Fräulein einführen würden hm ?

Natürlich wird die moralilsche Abgrenzung benötigt !

Die moralische Abgrenzung des Begriffes Frau, des sozialen Konstruktes Frau. (>Simone de Beauvoir)
Wie schon Arthur Schnitzler 1899 in seinen "Reigen" dem Ehemann in den Mund schrieb,
als dieser sich vor seiner Frau verteidigte, dass er vor ihr bereits Frauen hatte:

"Sag doch bitte nicht Frauen ! Frau bist Du !"

http://www.freeyourgender.de/forum/view ... t=483#p782

Min 6:30



Und hier darf FYG den Artikel des Feministischen Institut Hamburg zitieren,
da es besser nicht zu formulieren ist:

"Die heile Welt bürgerlicher Moral lebt von der Konstruktion der „Hure“

"Das „Hurenstigma“ dient dazu, Frauen in „Heilige“ und „Huren“ zu teilen und das Bild einer vermeintlich heilen Welt der Kleinfamilien mit „guten Müttern und Vätern“ unangetastet zu lassen. Druck, Macht, Zwang und sexualisierte Gewalt werden ideologisch in das Milieu der Prostitution verschoben. Dieses Bild entspricht nicht der Realität, denn die meisten Fälle von sexualisierter Gewalt finden im Privatbereich statt und werden nicht von „Fremden“ verübt, sondern nach wie vor von Bekannten, Ehemännern und Vätern. Dies ist nicht zuletzt durch die Zweite Frauenbewegung umfassend belegt.
Mit vielen prostitutionsfeindlichen Feminist_innen teilen wir das Anliegen, patriarchale Gewalt zu bekämpfen. Wir glauben jedoch nicht, dass ein Kampf gegen die männliche Hegemonie durch eine Abschaffung von Sexarbeit möglich ist. Der Kampf gegen patriarchalen Zwang und sexualisierte Gewalt muss in allen gesellschaftlichen Bereichen stattfinden: in Familie, Arbeitsverhältnissen, Erziehung etc. Das „Hurenstigma“ und die Kriminalisierung von Sexarbeit unterstützen diesen Kampf nicht, sondern erschweren ihn. Frauen, die vermeintlich gerettet werden sollen, werden faktisch zu Opfern gemacht, wenn ihnen keine andere Wahl bleibt, als in illegalisierten Verhältnissen zu leben und zu arbeiten. Wir brauchen an dieser Stelle keine Verbote, sondern Strukturvorschläge, die den Einen sozial und rechtlich abgesicherte Sexarbeit und den Anderen eine andere ebenfalls gesicherte Arbeit ermöglichen.
Das Bild der „Hure“ entspringt der patriarchalen Ideologie. Es ist deshalb notwendig, das Stigma der Prostitution anzugreifen und endlich anzuerkennen, dass Sexarbeit Arbeit und Care-Arbeit ist."


Zitat Ende


Was sagt denn die Justiz zur geplanten Änderung,
bzw. welche Stellung nimmt sie ein ?

Einen Artikel des deutschen Juristinnenbund djb
http://www.djb.de/Kom/K4/pm15-02/
hat FYG ausgewertet:

Der djb sieht hier Gefahren, die auf die Sexworker_innen zukommen,
in der oben verlinkten Pressemitteilung vom 28. Januar 2015 skizziert der djb,
dass durch die Maßnahmen:

- Zwangsuntersuchungen
- Mindestalter von 21 J.
- Anmeldepflicht

sich die Situation massiv verschlechtert.

Sie schreiben, dass somit Sexworker_innen, die in einem der Punkte nicht entpsrechen,
kriminialisiert und stigmatisiert werden.

Der djb dazu:
Auch werden diese jungen Frauen für Hilfsangebote nicht mehr erreichbar,
da sie in die Kriminalität gedrängt werden.

FYG:
Dass erhöht den Druck auf diese Menschen, macht sie für Dritte noch besser erpressbar.

Der djb weißt weiter darauf hin, dass der Gesetzgeber hier in der Pflicht ist,
die Rahmenbedingungen zu schaffen und sicherzustellen,
und nicht das "NIchtsicherstellenkönnen" dieser Rahmenbedinungen als Motiv vorzugeben,
für ein Verbot.

Bei der Anhebung des Mindestalters sieht der djb einen konkreten Verstoß der Rechtsordnung,
denn mit 18 Jahren beginnt die Volljährigkeit.

FYG:
Das erinnert an die Zeiten, als Frauen generelll nicht voll geschäftsfähig waren,
nur durch die Erlaubnis des Mannes.

Zu Zwangsuntersuchungen schreibt die djb,
dass hier, wie die Deutsche AIDS-Hilfe auch bestätigt,
Prävention durch Aufklärung das Mittel der Wahl sein muß.
Pflichtuntersuchungen sind weiterhin rechtlich bedenklich,
wenn diese Untersuchungen nur an die Personengrupper der Sexworker_innen
gerichtet sind.
Auch könnten die Kunden der Sexworker_innen, aufgrund des Untersuchungsergebnisses,
auf ungeschützten Verkehr drängen.

Auch die Anmeldepflicht führ sofort zur Kriminalisierung,
da viele dieses Zwangsouting aus persönlichen Gründen vermeiden möchten.
Auch datenschutzrechtlich ist diese Anmeldepflicht fragwürdig,
so der djb.

Der djb stellt heraus, dass die oberste Pflicht es ist,
Prostitution und Menschenhandel nicht miteinander zu vermengen.
Es geht darum, die rechtliche und soziale Lage zu verbessern und zu sichern.


FYG:
Dem ist nichts hinzuzufügen,
für keine der Sichtweisen, der juristischen, der feministischen,
der Sichtweise in Bezug auf den Gleichheitsgedanken im Arbeitsrecht,
im moralischen (Bigotterie), im Gesichtspunkt der allgemeinen Antidiskriminierung,
für den Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr durch Entkriminalisierung,
der ein wichtiges Argument bei der Legalisierung war,
läßt sich ein Argument finden,
dass die geplanten Maßnahmen, oder gar ein Verbot rechtfertigt.

Aber eines passt zusammen, wenn man unterstellt,
dass Prostitution genau dass bleiben soll,
was sie immer war,
etwas unmoralisches und etwas, womit Menschen diskreditiert werden können:

Dieses Ziel ist mit der geplanten Umsetzung gut zu erreichen.

Chapeau !




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