Falco, Versuch einer Analyse

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JasminRheinhessen
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Falco, Versuch einer Analyse

Beitrag von JasminRheinhessen » 21 Mär 2015, 08:56

Reflektion auf einen Falco-Blogpost
"Falco - einfach ein cooler Typ"
https://www.fischundfleisch.at/blogs/je ... r-typ.html


Oft werden in Blogposts der Punkt "Cool" von Falco herausgestellt.
Ja, das wollte er sein, um seine Schwäche zu maskieren.

Da Du (der Threadstarter) die Zeit nicht miterlebt hast,
reflektierst Du anscheinend auf diese Dinge, die für Dich wichtig sind,
wichtig scheint Dir zu sein, dass ein Mann cool sein soll, wie Falco (scheinbar) war,
bzw. wie er dies skizzierte, er spielte eine Rolle.

Es war die Rolle des mitleidsbedürftigen Chauvinisten,
dem die Frauen Teddybären zuwarfen, obwohl er sie zu Objekten machte.
Die Männerrolle die er zeichnete, skizzierte, war schon damals in den 80ern eine Karikatur.
Diese Männerfigur gab es damals bereits nicht mehr.
Ein "Mann", der "Schau mir in die Augen Kleines" ala Humphrey Bogart haucht,
während er der nach unten und hinten gelehnten Ingrid Bergmann mit seiner Dominanz zeigt,
wer die Hosen anhat. (>Casablanca, USA 1942)
Auch James Bond war bereits in den 60iger Jahren grenzwertig,
spätestens in den 70igern als Karikatur dieser Spezies "Mann" angekommen,
und wirkte bereits als Comic.
In der Ära der Endsechziger strebten die Frauen zur Uunabhängigkeit, Stärke,
emanzipierten sich, WG`s, Flower Power, Hippykultur und verbrannte BH`s.

Ein Mann wie Falco ihn darstellte waren Mitte der 80iger völlig out, wurden eher geduldet als hofiert,
spielten nicht die Rolle der Vorbilder, da man sie ja "bekämpfte".
Den Typ Mann, der der Frau unvermittelt sagt, dass sie ein Sexobjekt ist,
immer gefüigig zu sein hat.
Das Patriarchentum wurde seit der 2. Frauenbewegung in den 70igern mit allen Mitteln bekämpft,
die Abtreibung wurde legalisiert, Alice Schwarzer trug diesen Kampf von Frankreich nach Deutschland.
Sie wollte der Frau das Recht über ihren Körper geben.
Bis 1997 hat es in Deutschland gedauert, bis Vergewaltigung in der Ehe so bestraft wurde,
wie außerhalb derselben.
Die 80iger, in der Falco wirkte, war geprägt von der Bewegung der "Softies",
der Männer, die sich trauten, weiblich zu sein, die sich vom Patriarchismus emanzipierten,
die starke Frauen als Frauen wünschten, mit Strickpulliis statt Hemd und Sakko in die Kneipen gingen.

Die Politik dieser Zeit war links, Udo Lindenberg hatte eine klare politische Aussage hinter seiner Musik.
Seine Fans hatten eine politische Heimat.
Falco funktionierte anders: Weder politisch noch musikalisch.

Falcos Erfolg war die Karikatur, genau wie er sich in Interviews mit provozierenden kurzen Sätzen in Szene setzte,
waren seine Songs eine Provokation.
Er war sozusagen der Chauvi für die Frauenbewegung,
wie Dagobert Duck für den Kapitalismus, der liebenswerte Monokelträger in seinem Geldspeicher,
dem man genüsslich beim Baden im goldenen Nass zusieht, ihn liebt wenn er hineinspringt,
dabei die Hungernden in Afrika vergisst.
Genauso war Falco der Chauvinist, über den man nur schmunzeln konnte,
vor der Kulisse der Frauenbewegung.
Der es fertigbrachte, Macho-Attitüden zu verkaufen, und nur desshalb weil er nicht ernst genommen werden konnte,
dadurch liebenswert erschien.

Es war die Phase der Neuen Deutschen Welle, als "der Kommisar" 1982 aus den Boxen knallte.
Der Sprechgesang, der Rhythmus, die Message des Songs.
Auffälligkeit gepaart mit Botschaft: die Botschaft war Streetculture, das Image der guten Bösen
und der bösen Cops. Im Prinzip eine Botschaft des Rap aus den schwarzen Ghettos,
diese Musikpolitik wurde erst Ende der 80er, also eine Ewigkeit gemessen in Musikjahren
in Deutschland durch Puplic Enemy in breiter Basis etabliert.

Falco war zu seiner Zeit kein politischer Konsens, er wirkte revolutionär,
vor allem für die Frauenbewegung reaktionär.
Nicht, dass er keine weiblichen Fans gehabt hat, im Gegenteil,
er holte eine Figur von Mann aus der Mottenkiste, der lange bereits demontiert war.

Das paradoxe an Falco war, dass er alles andere als stark war.
Ein Mann, der keine Erwiderung in der gefühllosen kapitalistischen Welt fand,
für seine Emotion.
Er flüchtete hinter die Maske des Chauvis, die seine Schwäche zu verbergen suchte.
Seine Songs waren ein einziger Hilfeschrei nach Liebe.
Seine Machogehabe eine einzige Verdrängung und Kampf gegen seine weibliche Seite,
die hohe Empathiefähigkeit und emotionsgeladenen Songs dokumentieren diese.

Meiner Meinung als Psychologin von transsexuellen Kausalitäten ist die,
dass Falco mit diesem übersteuerten Machogehabe eine Wand gegen seine Bisexualität
aufbauen wollte, eine Wand gegen sich selbst (>Junge Römer)
Diese Verdrängung war sein Konflikt, den es aufzulösen galt.

Meine Interpretation:
Er sah sich hier ständig in der Schuld, war für sich ständig Täter.
Desshalb versuchte er die Täterschaft , (in der er sich meinte)
in eine rosa Wolke zu betten (>Koks=cool, Kriminalität=Cool-Themen)
auch Pädo-Themen, in denen er sich offen als Täter darstellte,
halfen ihn hier, durch die Sympathie und Erfolg dieser Songs (>Jeanny),
seinen Konflikt zu kompensieren, zu entstressen.
Das unbewusste Ziel: wenn es ok ist Täter zu sein, ist ja auch seine Bisexualität kein Problem mehr.

Falco wurde in den Radios in Deutschland rauf und runtergespielt.
Er war omnipräsent. Es gab nichts vergleichbares, auch in der Neuen Deutschen Welle (NDW) nicht.
Die Mischung der Erkennungskennzeichen: Rap, deutsch-englisch und provokative Themen waren unique.
Auch seine Art zu singen.
Damit war Falco eine Art Kultfigur, ala James Dean. Ein Schauspieler auf der Bühne.
Ein James Dean, der aber seine weiche Seite nur indirekt zeigte.

Mit "Amadeus" unterstrich er diese,
da Mozart gerade desshalb beliebt bei Frauen war,
da er "weiblich" sein durfte.
ein Ziel, wovon Falco träumte.
Seine Verdrängung war hierfür im Weg.

Frauen konnten diese aber sofort ausmachen, Frauen kann man in diesem Punkt nichts vormachen.
Dass war sein Magnetismus.
Frauen erkannten, dass sein Chauvigehabe liebenswert sein muss,
da es nicht echt war.
Die Liebe der Frauen war die für einen mitleidvollen Clown, der einen coolen Mann spielt.

Als ich bereits in der Phase des abebbenden Ruhms von Falco ein Konzert in Würzburg besuchte,
spielte er viele Songs, die nicht mehr die Verkaufszahlen erreichten (LP Junge Römer).
Am Eingang wurde von der Firma "Wella" Haargeel verschenkt,
die Firma meinte, alle wollten auch so ausehen wie Falco, ein Trugschluß.
Keiner wollte Aussehen wie ein Clown, man wollte ihn sehen, aber nicht so sein.
Die Frauen liefen zu dieser Zeit den Softies nach, dass war der Trend der Zeit,
Falco wurde als Figur gehandelt, als Figur aus einem Film einer älteren Zeit.
Einen Film, den man sich gerne auch live anschaute, mehr nicht.

Falco zerbrach an dem Unvermögen, sein Inneres zu leben, dass, was er wirklich war.
Der letzte bekannte Song, der massiven Airplay erhielt in den Radios,
war auch bedingt durch Falcos plötzlichen Tod "Out of the Dark" .
Falco wollte raus aus seiner Maske, raus aus der Dunkelheit,
aus seinem Versteck der Rollen.
Seine Verdrängung hielt dagegen, er konnte es nicht.
Die Verdrängung wurde manifestiert durch den katholischen Einfluß
seiner Vita (Privatschule, Piaristen), der Vater, der als Erzieher ausfiel,
dadurch entstand eine starke Bindung zur Mutter und Großmutter, die seine weibliche Identität forcierten,
die er aber nicht leben konnte, da dass Umfeld in der er aufwuchs,
eine bipolare sexuelle Identität nicht zuließ.
Er musste daher Frauen finden, die auch seine weibliche Seite triggerten,
obwohl diese verborgen war.
Er schreibt:
"Ich weiß, dass die Frau die mich erträgt noch nicht geboren ist"
(>Song: Emotional)
Mit "ertragen" stilisiert er seine weibliche Identität,
die er als Bisexualität erlebte als "Tat", als "Schuld".
Also ob er der Frau etwas damit "antut" - dass zu ertragen wäre.
Der Täter, er war für sich ein Täter.
Die Folge für ihn waren unlösbare Schuldgefühle.
(> Bewältigungsstrategie: Drogen und verstecken hinter einer Maske)

Falco ist ein Opfer seiner Identität geworden.
Für mich als Analytikerin transspezifischer Geschlechter,
war sein Suizid, sollte es einer gewesen sein,
diesem Umstand geschuldet.

Meine Analyse trifft auf viele Charaktere in dieser Konstellation zu,
einen Namen den ich hier noch nennen möchte ist Klaus Kinski.

LG
Jasmin



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