die Frage nach der sexuellen Orientierung

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Freeyourgender
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die Frage nach der sexuellen Orientierung

Beitrag von Freeyourgender » 09 Jul 2019, 11:23

Wir sprechen im politischen Diskurs immer noch mit der genitalgeschlechtlichen Sprache,
um zu versuchen, nichtgenitalgeschlechtliche, also richtiggestellte Geschlechter, zu beschreiben.
Das muss misslingen.

Ein Klassiker ist die, in Bezug auf die Geschlechtsdefinition,
undifferenzierte Nachfrage, nach der sexuellen Orientierung,
die, wenn undifferenziert erfolgt, keine auswertbaren Ergebnisse liefern kann.

Erklärung im Detail:

Eine Stilblüte des nicht vollzogenen Paradigmenwechsels, des Festhaltens an der Formel "Genital=Geschlecht",
ist die undifferenzierte Frage nach der sexuellen Orientierung, ohne mit der Frage diejenigen Informationen mitzuliefern,
auf welche Geschlechtsdefinition(en) sich diese nachgefragte sexuelle Orientierung beziehen soll:

a) auf das Genitalgeschlecht? (wie üblich)
b) oder auf das selbstbestimmte Geschlecht? (was durch biologische Prozesse pränatal manifestiert wird und durch die erlebte Selbstfindung herausgearbeitet wurde)

Wird der Frage diese Differenzierung nicht mitgeliefert, enthält der Fragende keine Auskunft darüber,
welche Grundlage der Befragte bei seiner Antwort gelegt hat, und weiß somit nicht,
wer diese Antwort gegeben hat, eine Mann(SIC!) oder eine Frau(SIC!),
wenn er diese Information nicht hat, kann er mit der Aussage schwul oder lesbisch nichts anfangen,
da er den Bezug nicht kennt und somit lesbisch schwul oder schwul lesbisch bedeuten kann.

Eine Antwort "lesbisch" kann dann folgendes bedeuten:
1. Eine Frau (nach genitalgeschlechtlichem Paradigma) fühlt sich zu einer Frau (nach genitalgeschlechtlichem Paradigma) hingezogen
2. Eine Frau (nach genitalgeschlechtlichem Paradigma) fühlt sich zu einer Frau (nach selbstbestimmt-geschlechtlichem Paradigma) hingezogen
3. Eine Frau (nach selbstbestimmt-geschlechtlichem Paradigma) fühlt sich zu einer Frau (nach selbstbestimmt-geschlechtlichem Paradigma) hingezogen
4. Eine Frau (nach selbstbestimmt-geschlechtlichem Paradigma) fühlt sich zu einer Frau (nach genitalgeschlechtlichem Paradigma) hingezogen

Wird die Frage nach der sexuellen Orientierung nach genitalgeschlechtlichem Paradigma gestellt,
müssten für obige Fälle folgende Antworten angekreuzt werden:
1. lesbisch
2. hetero
3. schwul
4. hetero

Wird die Frage nach der sexuellen Orientierung nach selbstbestimmt-geschlechtlichem Paradigma gestellt,
müssten für obige Fälle folgende Antworten angekreuzt werden:
1. lesbisch
2. lesbisch
3. lesbisch
4. lesbisch

Wie wir sehen, erhalten wir, wenn wir undifferenziert nachfragen, Ergebnisse,
die wir nicht mehr auswerten können.
Wir wissen den Bezugspunkt der Geschlechtsdefinition für
die sexuelle Orientierung nicht, die der Befragte hat, daher ist die Antwort unbrauchbar.


Beispiel:

Online Befragung Queeres Bayern (läuft noch bis Mitte 2020)
https://www.tessa-ganserer.de/online-be ... es-bayern/

Die Fragestellung bezüglich sexueller Orientierung ist undifferenziert:

Bild

Wenn wir automatisch weiter davon ausgehen sollen, dass in der Sprache immer auf das Genitalgeschlecht
rekuriert wird, und wir die Sprache nicht mit dem Paradigmenwechsel in Richtung selbstbestimmtes Geschlecht
mitnehmen, können wir das Paradigma Genital=Geschlecht nicht verlassen und bleiben in der alten,
falschen Verständniswelt. Denn dann wird es niemals Frauen mit Penis geben, weder sprachlich noch
im Verstehen.
"Die Grenzen deiner Sprache, sind die Grenzen deiner Welt." Wittgenstein





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