1.2.20 Isabell`s Vermächtnis

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JasminRheinhessen
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1.2.20 Isabell`s Vermächtnis

Beitrag von JasminRheinhessen » 20 Dez 2016, 19:32

Barton saß wie gestern schon am Morgen an seinem Schreibtisch,
er hatte vor, "Isabell" weiterzulesen,
wurde aber von einem Artikel eines wissenschaftlichen Magazins über Hirnforschung abgelenkt,
ja, das Geschlecht sitzt im Gehirn, mittlerweile ist es sechzig Jahre her,
seitdem mehr Indizien dafür sprechen, als dagegen, seitdem dies wissenschaftlicher Konsens ist.

"Menschen haben anatomisch geschlechtsspezifische Gehirnaspekte,
bestimmte Gehirnaspekte sind eher weiblich, oder eher männlich geprägt.
Hormone wirken auf die geschlechtliche Gehirnentwicklung ein, und es wurden Gene nachgewiesen,
die die Wirkungen der Hormone nachhaltig beeinflussen können.
Diese Entwicklung des Gehirns, vollzieht sich zu einem späteren Zeitpunkt der Schwangerschaft,
nachdem bereits die Geschlechtsorgane davon völlig unabhängig angelegt worden sind.
Wir müssen daher Menschen verstehen, die eine genau Aussage über ihr Geschlecht machen können,
dass nicht mit ihren Genitalien übereinstimmt."

Barton dachte sofort an die Selbstbestimmungskampagne, und die Gefahr,
dass Artikel dieser Art natürlich für diese Bewegung als Argument herangeführt werden.

Geld und Einfluß verhinderten, dass diese Hirnforschungsergebnisse an Universitäten gelehrt werden.
Die weltweite Vernetzung der gegen diese Erkenntnisse arbeitenden Sexologen,
die mal mehr patriarchal intentiert, mal mehr für Geld arbeitend motiviert waren,
funktionierte geräuschlos und perfekt.

Barton wurde wieder unsicher, nicht dass diese Art von Artikeln etwas neues für ihn wären,
aber sie erinnerten ihn daran, über sich selbst nachzudenken,
über SuKi`s Anziehungskraft, die Sie auf ihn ausübte.

Barton war sich sicher, dass er eine eher weibliche Gehirnprägung hat,
die er verdrängte, damit sie ihm nicht seine männliche Identität nahm.
Sollte es sein Umfeld erfahren, seine Autorität, ja seine Existenz wäre gefährdet.

Barton legte das Magazin zu den anderen.
In einem seiner Fächer seines Schrankes stapelten sich diese Studien schon,
das Schrankfach quoll förmlich über.
Plötzlich kamen wieder diese Gedanken... Er spürte diese Abneigung
gegen diese gewaltverherrlichende Darstellung, diese Zinnsoldaten des Grafen,
die er nur weil er ein Mann war, gut finden sollte,
gut finden durfte, ohne dafür als ethisch fragwürdig dazustehen.

Diese Menschen, denen er jeden Tag sagte, dass sie Männer wären,
und sich alles nur einbildeten, hatten eher weibliche Gehirne, und er evt. auch,
als er diesen Gedanken gerade weiterspinnen wollte,
klingelte sein Phone.




"Herr Dr. Barton, Mr. Stardust kommt nun zu Ihnen",
Barton erinnerte sich, dass am Vormittag eine Therapiesitzung anberaunt war.
"Ja, schicken Sie ihn rein."

Barton versuchte, seine Gedanken beiseitezuräumen,
dabei half der Kaffee, nicht so delikat wie beim Grafen, aber warm und für ihn jetzt genau
das richtige. Er nahm einen Schluck, als gerade die Tür aufging.

"Guten Tag, Herr Doktor.",
Yvonne hatte heute ihren ersten Termin, Sie hatte sich richtig hübsch gemacht,
die Haare hochgesteckt, ein passendes Kleidchen für die Jahreszeit gewählt.
Offene Schuhe, nicht zu hoch, und dezent geschminkt.

"Ja, setzen Sie sich Herr...setz Dich Yvonne."

"Danke Herr Doktor.",
Yvonne setzte sich in einen der großen Stühle, die direkt vor Bartons Schreibtisch standen,
legte ihre Beine übereinander und versuchte, ihre Nervösität zu überspielen.

"Nun, Herr... Yvonne... wie lange leben Sie schon als Frau?",
eröffnete Barton seine Therapiestunde, das immer gleiche Prozedere,
dass ihn schon selbst langweilte.

"Ich bin noch sehr unsicher Herr Doktor, ich habe große Angst verspottet zu werden,
daher habe ich mich noch nicht getraut so auszugehen.
Ich lebe noch in der männlichen Rolle Herr Doktor, obwohl ich eine Frau bin.",
wurde Yvonne etwas selbstbewusster.

"Ja natürlich, sind Sie eine Frau.",
Barton musterte nun Yvonne mit eigenartigem Blick,
so als wollte er etwas finden, was Sie versteckt hielt.

Yvonne hatte Mirabell`s Ratschlag befolgt, weil Mirabell Barton kannte,
Mirabell meinte, Sie solle sich weiblich anziehen.
Unisex-Kleidung ist zwar im Alltag kein Problem und normal,
aber nicht in einer therapeutischen Sitzung im Jahr 2076,
wenn es darum ging, von einem Patriarchen als Frau eingestuft werden zu wollen.

"Fühlen Sie sich eher zu Männern oder Frauen hingezogen?",
stellte Barton seine erste Frage, mit einer Neugier, als wäre sie an ihn selbst gerichtet,
denn er hätte diese für sich im Moment nicht beantworten können.

"Herr Doktor, ich weiß nicht, warum Sie mir diese Frage stellen,
ich könnte bisexuell sein, und trotzdem wäre ich eine Frau.",
konterte Yvonne, die sich auf diese Frage bereits vorbereitet hatte.

"Ja, das stimmt allerdings", antwortete Barton,
der in diesem Moment an SuKi dachte, wie sie in Gedanken hinter ihm stand,
in dieser Nacht, als er nicht schlafen konnte, und zum Fenster hinunterschaute.
Er stand auf und ertappte sich dabei, wie er männliche Gesten einnahm,
wie ein Soldat, im Zimmer hin und herlief,
als ob Yvonne ihn durchschauen könnte, als ob sein Verhalten,
für Sie Aufschluss über seine Gedanken liefern würden.

Barton konnte nicht lange den Blick auf Yvonne liegen lassen,
Ihn störte etwas, ihre Anziehungskraft, die Sie bereits besaß verwirrte Ihn,
und das Wissen, dass hier, ausgehend von seiner Verständniswelt,
ein Mann in Frauenkleidern vor ihm saß.

Dass er diese Anziehungskraft zulassen könnte,
machte ihn Angst, zog ihm fast den Boden unter den Füßen weg.
Vielleicht war das der Grund, warum er gestern bei seinem Traum die Augen schloss,
während er sich SuKi hinter sich wünschte, und sich vorstellte, wie Sie ihn umschlang.

"Herr Doktor, sagen Sie mir, dass ich eine Frau bin.",
wurde Yvonne mutig und nutzte die lange Sprechpause Barton`s,
der damit beschäftigt war, im Zimmer auf und ab zulaufen,
und mehr mit sich selbst beschäftigt war, als mit seinem Gast.

"Entschuldige, Herr... entschuldige Yvonne, ja natürlich,
ich lasse Ihnen das Gutachten ausfertigen.
Sie können jetzt Ihr Zimmer beziehen. Zimmer 22.
Die Stationsschwester bringt Ihnen die Papiere mit dem Abendessen.
Bewahren Sie sie bitte gut auf, Sie brauchen diese als Ausweis, für die Übergangszeit.
Verhalten Sie sich die nächsten Monate besonders konform.

Vermeiden Sie den Kontakt mit der Polizei oder der Justiz.
Wie Sie wissen, gilt ihr Frausein als psychische Störung,
was in einer Anklagesituation Nachteile mit sich ziehen würde.",

Barton blieb im Raum stehen, machte nur eine kurze Geste mit seinem Arm,
die eine korrekte Verabschiedung von Angesicht zu Angesicht ersetzen sollte,
und drehte sich Richtung Bar um, um sich einen Whisky zu nehmen.

"Danke Herr Doktor, ich freue mich Herr Doktor",
erwiderte Yvonne, lieber etwas freundlicher, als zu wenig,
Yvonne spürte, dass Barton Probleme hatte.

"Ja, keine Ursache, angenehmen Aufenthalt",
verabschiedete sich Barton, mit dem Rücken zu Yvonne stehend,
sich einen Whisky zubereitend."

Yvonne verließ das Zimmer, schloß leise die Tür.

Barton nahm seinen Whisky, setzte sich wieder an seinen Schreibtisch.
Er wunderte sich über seine Unsicherheit,
und wie es ihn belastete, diese Therapiesitzung, die nur eine Farce war, abzuspulen.

Vor einigen Jahren hatte er noch keine Probleme damit,
doch es wurde immer schlimmer.

Ihm fiel es immer schwerer, Menschen weiter zu belügen,
ihnen zu sagen, dass sie psychisch krank wären.
Ja - sie haben psychische Probleme, die Belastung,
ihren Körper anzugleichen, und in der Gesellschaft, die sie nicht verstand, zu bestehen,
dass war ihre psychische Problemsituation,
aber nicht schon allein ihre Selbstaussage, dass sie eine Frau wären.

Diese Selbstaussage stempelte Sie in seiner und Gordon's Welt schon zu Psychopathen,
unabhängig ihrer psychischen Belastung, die sie mit ihrem Körper und der gesellschaftlichen
Fremdbestimmung ganz individuell noch zusätzlich haben.

Barton ging zum Schrankfach, holte das Magazin hervor,
in dem er vorhin noch stöberte.

"das Testosteron... die Substitution von Testosteron steuert die Ausbildung der Geschlechtsorgane....,
später differnziert sich das Gehirn..... unabhängig zu den Geschlechtsorganen....
in seinen verschiedenen Aspekten... jeweils in ..... eher weiblich, oder eher männlich...
das Gehirn in geschlechtlicher Betrachtung ist..... nonbinär....das Geschlechtsempfinden ist
immer unabhängig der morphologischen Ausprägung des Menschen zu betrachten...."

Barton hielt sein Whisky-Glas in der linken Hand, untypisch,
aber er brauchte die rechte Hand, deren Finger das Buchcover von "Isabell" streichelten,
er trank, und wurde etwas ruhiger.


Als er vorhin durchs Zimmer ging, fühlte er sich mies,
er fühlte, dass Yvonne genau wusste, was er für ein Spiel spielte.
Sie wusste, dass es eine Farce ist, der sie beiwohnen sollte,
nur damit sie als Frau anerkannt wird.

Niemand kann feststellen, wer eine Frau ist, und wer nicht,
wenn wir das Wissen berücksichtigen, was wir heute haben.
Gehirnuntersuchungen sind zwar noch nicht so weit,
dass wir eine Frau oder Mann durch Untersuchungen des Gehirns unterscheiden könnten,
die Selbstaussage eines Menschen verifizieren könnten,
aber wir wissen bereits, dass das Gehirn die Ursache für Selbstaussagen
über das Geschlecht von Menschen ist.

Barton wusste, dass sein Kampf gegen die Selbstbestimmungskampagne,
ein Kampf gegen die Wahrheit war.
Er hatte es in der Hand, er könnte das Geld stoppen,
ein Anruf, und Braunstein würde die Zahlungen einfrieren.
Gordon würde ins Aus laufen, ihm müsste er nicht einmal eine Begründung liefern,
wenn das Geld ausgeht, stehen die Räder, die durch Intrigen angetrieben werden, still.

Andere Ärzte, würden den Paradigmenwechsel mitmachen,
nicht alle sind solche vehementen Gegner seit Jahrzehnten, wie er und Gordon.
Barton wusste, dass die Entscheidung,
was in Zukunft mit Menschen wie Yvonne passieren wird,
wie diese Menschen gelabelt werden, auf seinem Schreibtisch lag.

Barton nahm sein Phone:
"Keine weiteren Termine heute. Bitte keine Störung mehr heute. Danke."

"Barton nahm wieder das Glas mit der linken Hand, die rechte lag wie vorhin
auf dem Buchcover von "Isabell".
Er trank einen Schluck. Träumte dabei von SuKi, und wurde noch ruhiger.



weiter mit Kapitel 1.2.21
http://www.freeyourgender.de/forum/view ... 555&t=1137



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